Negativitätsverzerrung

Haben Sie schon einmal erlebt, dass Sie an einem Tag zehn positive Rückmeldungen und eine negative erhalten haben – und sich am Ende nur die kritische Stimme eingeprägt hat? Dieses Phänomen hat einen Namen: die Negativitätsverzerrung (Negativity Bias). Es handelt sich dabei um eine kognitive Verzerrung, bei der negative Ereignisse oder Informationen einen stärkeren Eindruck hinterlassen als positive.

Im Coaching ist es entscheidend, diese Tendenz zu erkennen und mit Klient:innen zu reflektieren, um bewusst eine ausgewogene Wahrnehmung zu fördern.

Die Negativitätsverzerrung ist ein psychologisches Phänomen, das tief in der menschlichen Evolution verankert ist. Unsere Vorfahren mussten Bedrohungen schnell erkennen und darauf reagieren, um zu überleben. Daher wurden negative Reize wie Gefahr oder Verlust stärker gewichtet.

Heutzutage zeigt sich die Negativitätsverzerrung in vielen Bereichen unseres Lebens:

• In Beziehungen: Negative Kommentare oder Kritik wirken oft nachhaltiger als positive Rückmeldungen.
• Am Arbeitsplatz: Fehler bleiben länger im Gedächtnis als Erfolge.
• Im Umgang mit sich selbst: Selbstkritik hat oft mehr Gewicht als Selbstlob.
  

Ein typisches Beispiel: Eine Klientin schildert ihre berufliche Entwicklung. Obwohl sie zahlreiche Erfolge aufzählt, fokussiert sie sich ausschließlich auf einen einzigen Misserfolg, den sie als dominierend empfindet. Im Coachingprozess können Sie dieser Verzerrung gezielt entgegenwirken:

1. Bewusstmachen: Das Benennen und Erklären der Negativitätsverzerrung hilft, erste Einsichten zu gewinnen.
2. Positive Erlebnisse hervorheben: Eine bewusste Fokussierung auf Erfolge und Stärken schafft ein ausgewogeneres Bild.
3. Skalierungsfragen: Wie bewerten Sie die aktuelle Situation auf einer Skala von 1 bis 10? Was könnte die Bewertung verbessern?
4. Ressourcenarbeit: Welche Ressourcen und Stärken haben Ihnen in der Vergangenheit geholfen, mit schwierigen Situationen umzugehen?